Hej, bures, bures!
Samische Künstler und Handwerker bewahren nicht nur die alten Traditionen, sondern entwickeln vielfältig eine eigenständige samische Kultur in der Bildenden Kunst, in der Musik und im (Kunst-)Handwerk. Samische Verfasser schreiben Prosa und Lyrik, vom Kinderbuch bis zum samischen "Krimi", über die Rolle und das Selbstverständnis der samischen Frauen in Familie und Gesellschaft, über die Zeiten der Unterdrückung, den gegenwärtigen Kampf gegen Diskriminierung und für die Rechte als Urbevölkerung. Und es gibt samisches Theater.
Malerei, Fotografie, Bildhauerei, alle Möglichkeiten der Bildenden Künste werden in der samischen Gegenwartskunst genutzt. Musikalisch ist der Joik zum Ausgangsmaterial für Jazz, Rock, Pop und Schlager geworden. Absolventinnen der Textillinie des Samischen Ausbildungszentrums werden angesehene Modedesignerinnen. Samisches Handwerk und Kunsthandwerk erobern sich alle Lebensbereiche des 21. Jahrhunderts.
Und stets sind die Arbeiten tief verwurzelt in den samischen Traditionen mit den typischen Wesenszügen, die das ursprüngliche samisches Handwerk von anderem unterscheiden. Nie wird einem übermächtigen Druck äußerer Einflüsse nachgegeben, sondern samische Gegenwartskunst und samisches Gegenwartsdesign ist eine Anpassung an neue Bedürfnisse und Verhältnisse unter Bewahrung der traditionellen unverwechselbaren Eigenarten. Verwendet werden oft Naturmaterialien wie Wolle und Lodenstoffe, Naturfarben, Federn, Horn, Knochen, Leder und Fell von Rentier, Elch, Fischen, Vögeln und den anderen Tieren des Nordens, auch Ziegen und Schafen, Tiersehnen als Fäden, Holz und so weiter.
Sápmi ist kein riesiges Freilichtmuseum, sondern eine Region im Norden Europas mit einer lebensfähigen Zukunft.
Die Stiftung Sameslöjdstiftelsen Sámi Duodji mit Sitz in Jokkmokk klärt - weltweit - unter anderem auf über die Bedeutung des traditionellen samischen Handwerks für die Identität der Samen. Ihre Ausstellung „Sámi Duodji – samisches Handwerk in der Gegenwart" war erfolgreich in Nice (Frankreich). Danach haben wir sie nach Berlin geholt, von wo sie nach Stockholm ging und weiter nach Seatle in den USA.
Die Geschäftsführerin Mari-Ann Nutti war mit allen ihren Mitarbeitern in Berlin. Während der Ausstellung bin ich mehrmals angesprochen worden, ob es Kurse für das Erlernen des samischen Handwerks gäbe, besonders für Messermachen. Auch nach der Möglichkeit, Schnittmuster für samische Bekleidung zu kaufen, wurde ich gefragt. Die Stiftung Sámi Duodji veranstaltet keine Kurse für und verkauft keine Schnittmuster an Nicht-Samen. Das samische Handwerk Sámi Duodji soll in samischen Händen bleiben.
Gákti- das ist mein Kleid! Das ist meine Identität!
Es ist heute nur zu selbstverständlich, dass die Samen ihre traditionelle Kleidung als Teil ihres Kulturerbes betrachten. Etwas, das ihnen gehört. Im Oktober 2008 verabschiedete die 19. Samenkonferenz die "Rovaniemi-Deklaration über die Einheit der Samen", in der unter anderem gefordert wird, dass "die samische traditionelle Kleidung - in ihrer Formenvielfalt - ein integraler Bestandteil sowohl der kollektiven Identität des samischen Volkes wie auch der Identität samischer Individuen" ist und dass "sie deshalb nie von Nicht-Samen getragen werden darf unter Verstoß gegen samische Regeln für deren Gebrauch," sowie, dass "die Tourismusindustrie, besonders in Finnland, unverzüglich jede weitere widerrechtliche Verwendung samischer traditioneller Kleidung beenden" muss.
Elsy Labba und Solveig Labba waren im Mai 2012 in Berlin auf unserer Ausstellung. Solveig ist Mitglied des Vorstands der Stiftung Stiftelsen Sámi Duodji - Sámeslöjd in Jokkmokk, die für den Schutz samischen Handwerks vor Plagiat und Nachahmung arbeitet und für die Unterstützung samischer Handwerker und die Entwicklung des samischen Handwerks in eine lebendige Zukunft.
Das ist was ganz Besonderes! Was ganz besondes Schönes! Und das ist wirklich von einer Samin. Kindermützen von Solveig Labba, gemacht nach alten traditionellen Schnitten aber aus modernen Stoffen und Mustern. Solveig verkauft im Internet und auf dem Jokkmokks Vintermarkt im Samernas Utbildningscentrum.
Sameslöjdstiftelsen Sámi Duodji (Die Stiftung für samisches Handwerk) wurde 1993 vom Svenska Samernas Riksförbund und Same Ätnam gegründet. Zu ihren wichtigsten Aufgaben zählen das Marketing und die Verbreitung von Informationen über samisches Handwerk und die samischen Handwerker zu unterstützen. Die Stiftung arbeitet in vier Tätigkeitfeldern: Handwerk und Kulturerbe, Wirtschaft, Marketing, Forschung und Entwicklung.
Sameslöjdstiftelsen Sámi Duodji in Jokkmokk schreibt:
"Definition von ”duodji”: ”Sámiduodji”, samisches Handwerk, ist die samische Bezeichnung für handgemachte samische Produkte wie Kleidung, Geräte für die Jagd und den Tierfang, Haushaltsgeräte und Ausschmückungen (auch für Haus und Wohnung). Das Handwerk hat eine lange Tradition. Die Grundlage des samischen Handwerks ist auch heute Material aus der Natur. Samisches Handwerk ist nach alter Tradition ausgeführt und von Ort zu Ort angepasst an neue Techniken und Anwendungsgebiete.
Zweck der Schutzmarke:
• Samische Handwerksprodukte zu schützen gegen Plagiate und unlauteren Wettbewerb.
• Käufer zu leiten und zu informieren über die Produkte samischer Handwerker.
• Beizutragen, die Qualität samischer Handwerksprodukte zu erhöhen.
• Ein Kennzeichen zu sein, dass samisches Handwerk eine lebendige Tradition ist.
• Produkte, die als reine ”Andenken” bezeichnet werden ohne eine Gebrauchsfunktion zu haben, werden nicht gekennzeichnet."
(Übersetzung: Hans-Joachim Gruda)
Leider habe ich immer wieder Anlass, vor Täuschungen zu warnen. Immer wieder wird "samisch" durcheinander gebracht mit "samisch inspiriert" oder "lappländisch" oder gar "finnisch". Immer wieder wird kopiert und nachgemacht, ohne deutlich genug darauf hinzuweisen, dass es sich um Nachgemachtes handelt.
Von einem Berliner, von einem Deutschen, der sein Handwerk bei einem schwedischen Nicht-Samen gelernt hat, wurde auf dem Kunsthandwerklichen Weihnachtsmarkt in Berlin-Frohnau Handwerk in samischer Machart angeboten. Er hat es dankenswerter Weise vermieden, dies als "Samisch" zu bezeichnen. Er schrieb mir: ". . . ich bin kein Same, aber ich interessiere mich für deren Tradition und eben auch für das Kunsthandwerk." Das ist ja lobenswert, aber wer sich so für die Samen, ihre Kultur und ihr Handwerk begeistert, der sollte Respekt zeigen. Vielen Dank also, dass er auf die Bezeichnung "samisch" verzichtet hat, giitu, uolu giitu!
Bei DaWanda werden unter dem Namen "samisch" auch Kunsthandwerkliche Produkte angeboten, zum Beispiel Zinnfadenstickereien (Armbänder) und ein Nålhus aus Knochen. Die Anbieter sind jedoch keine Samen, erklären mir aber auf Anfrage, dass sie das samische Handwerk schön finden und schätzen und das gerne selbst machen. Das ist grundsätzlich was Schönes und Gutes aber ich meine, sie sollten sehr viel deutlicher auf ihren Angebotsseiten darauf hinweisen, dass ihre Erzeugnisse eben nicht "Samisch" sind, sondern vom Samischen inspiriert und von Nichtsamen gemacht, meine ich. Aus Respekt vor der fremden einzigartigen Kultur.
arctic glas, das ist eine Deutsche Auswanderin in Renvallen, 3 km außerhalb Arvidsjaurs, die samische traditionelle Motive auf ihren eigenen Arbeiten verwendet. In ihrem online-shop auf der Seite mit den Messern gibt es ein weiteres markantes Beispiel für die unscharfen Grenzziehungen: Nur ein Messer dort ist mit dem Siegel der Stiftung als echt samisch gekennzeichnet! Aber fast alle sehen "lappländisch" aus! (Auf ihrem Platz im Netz nennt sie Renvallen merkwürdig genug "Mitten im Herzen Lapplands". So weit ganz im Süden liegt doch aber nicht das "Herz", da fängt doch Lappland gerade mal an!)
hornart.se - das ist der Schwede Jan Jonsson, 70 km südlich Stockholms, der auch nachgemachtes "samisches Handwerk" herstellt und Nicht-Samen "samisches Handwerk" lehrt.
Die Grenzziehung zwischen "authentisch" und nachgemacht oder nachempfunden ist im Tourismus sehr ungenau und die Unkenntnis vieler Touristen wird missbraucht, um Geschäfte zu machen. Nicht-Samen werden in samische Trachten gesteckt und touristische Aktivitäten werden als vermeintliche Tradition vermarktet. Deshalb haben sich samische Tourismusunternehmen zusammengeschlossen zu der Organisation "Visit Sápmi". Sie erteilt an samische Unternehmen das Siegel "Sápmi Experience", um die Authentizität zu schützen.
Nach vierhundert Jahren der Unterdrückung sind viele engagierte Samen sehr empfindsam geworden, wenn es um die Atribute ihrer eigenen Identität geht. Eine finnische Samin schrieb jüngst: "Sie haben uns alles genommen, Land und Wasser und unsere Rechte und jetzt nehmen sie uns auch noch unsere Kultur."
Und sie nehmen den identitätsstiftenden Aspekt der Kleidung sehr ernst! Als das Museum für Völkerkunde in Hamburg 2011/2012 in einer von der Universität Leipzig kuratierten Ausstellung über Nomadenkulturen samische Trachten unsachgemäß dekorierte - Schuhbänder waren als Gürtel angebracht, ein Schultertuch als Kopftuch - gab es entrüstete Reaktionen in der samischen Öffentlichkeit. Und als die für unsere Ausstellung in Berlin zur Verfügung stehenden Dekorationspuppen zu lange Arme für die samischen Trachten hatten, wurde den Puppen die Arme entfernt, damit nicht der Eindruck vermittelt werden konnte, die Ärmel der samischen Trachten endeten auf der Mitte der Unterarme.
P. S.: Ein eher harmlos-romantisches Beispiel im Kleinformat ist Solberget - das ist Dirk Hagenbuch, deutscher Sozialarbeiter und Naturromantiker, der deutschen Touristen "Lappland" vorspielt, einschließlich Rentieren. Ich möchte also darauf hinweisen, dass das bei Deutschen recht beliebte Urlaubsziel "Solberget" in Nattavaara nichts samisches ist. Der Eigentümer und Betreiber Dirk Hagenbuch ist Deutscher, der eine naturromantische Athmosphäre im Wald schwedisch Lapplands geschaffen hat und sich ein paar Rentiere hält. Möge sich dort im Urlaub wohlfühlen, wer das mag, aber jeder soll wissen, dass es nicht samisch ist und es ist auch nicht die nordschwedische Neusiedlerkultur, die der Tourist dort kennen lernen wird.